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Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Erdställe in Wilhelmsdorf/Folda, Weinviertel, A


Ungewohnter Erdstallaus-/anblick
In der Umgebung von Poysdorf, der "Sektmetropole" Österreichs, im Weinviertel nördlich von Wien, gibt es eine Reihe von Stellen, wo die Weinkeller gleich gruppenweise auftreten. Kommt man dorthin, dann findet man "Idylle pur". Kein Wunder, sie stammen noch aus einer Zeit, als man noch in Klein- und Einzelproduktion die Dinge des Lebens herstellte, und noch nicht Massen- und Industriefertigung angesagt war. Die Häuschen sind in aller Regel nur ebenerdig gebaut. Selten, daß es da einen ersten Stock noch drauf gibt.

Und diese Weinkeller bergen gar nicht so selten noch ein "Geheimnis": Sie weisen einen Erdstall auf. Ansehen von außen tut man es keinem Anwesen, ob es ein solches unterirdisches Bauobjekt hat oder nicht. Ob letztlich in jedem Weinkeller auch ein Erdstall steckt? Wir wissen es nicht. Hat man sie nur noch nicht entdeckt oder gibt es einfach bei einigen Anwesen einfach keinen? Keiner weiß es.

Die Erdställe haben einen vollkommen unterschiedlichen Erhaltungszustand. Einige sind noch sehr gut erhalten, man kann sie mehr oder weniger "vollständig" besuchen, wie "vollständig" sie aber noch sind, das kann man aber auch nicht sagen. Bei einem ist diese Degradation besonders weit fortgeschritten, aber gerade deshalb ist er auch sehr bemerkenswert.

Edith Bednarik hatte die ausgezeichnete Organisation der 2004er Tagung des Arbeitskreises für Erdstallforschung übernommen und für den Nachmittag des 4. Septembers, einem Samstag, arrangiert, daß 6 der vorhandenen Erdställe in Wilhelmsdorf für uns zugänglich waren. Als äußerst hilfreich erwies sich, daß die betreffenden Eingänge zu den Kellern mit den Erdställen erst einmal mit rot-weißen Plastikbändern markiert waren. Später standen dann einfach auch noch die Tore offen und wir wußten dann schon, wo es hineinging.

Soviele Erdställe, soviele unterschiedliche Eindrücke. Einerseits trifft schon zu, was man auf Englisch so beschreibt: "If you have seen one you have seen them all." Andererseits ist jeder auch ganz einzig. Genauso wie bei uns Menschen. Einer war nur noch in letzten Resten vorhanden. Ein kleines Löchlein in der rechten Ziegelmauer vermittelte den Zugang zu einem relativ bequem berutschbaren Gangstück eines alten Erdstalls nach unten. Es führte zu einer Stelle, wo es sich spaltete in zwei Fortsetzungen, die aber sofort unzugänglich wurden, weil Mauerwerk sie verschloß. Von der anderen Seite im Keller war leicht feststellbar, daß dort der Erdstall beim Kellerbau angeschnitten worden war und künstlich wieder durch die Steinmauer verschlossen wurde. Hier war sehr bemerkenswert, daß am Ende des Weinkellers auf einmal eine Hohlform im Fels zu sehen war, die außergewöhnlich wohl strukturiert war. Vermutlich war hier der Erdstall mal zu Ende mit einer Felskammer. Deren allerletzen Rest hatten wir hier vor uns. Hatte man also beim Kellerbau die unterirdische Struktur des Erdstalls einfach benutzt, um besser mit dem Nutzungszweck zu Rande zu kommen? Aber zerstört hat man auch nicht einfach alles, sondern hat eben das, was nicht im Weg war, einfach da sein lassen.

Auch in einem anderen Weinkeller gibt es wohl nur noch einen letzten Rest eines früheren Erdstalls, einen hohlen Felsbogen, der zu durchkriechen ist. Da ist nicht mehr viel da, keine Kammern oder was sonst vielleicht mal da war, aber auch dieser "Rest" ist eindrücklich.

Am eindrucksvollsten war für mich der Erdstall "Haimer". Warum der "Haimer" heißt? Nun, weil die derzeitigen Eigentümer Haimer heißen und Edith Bednarik sich nicht gescheut hat, sie danach zu nennen. Sie kümmern sich um den Erdstall, was sich allein schon daran zeigt, daß der Grundriß an der Wand ihrer gepflegten und bewirtschafteten Weinstube im Eingangsbereich des Weinkellers zu sehen ist. Man braucht fast kein eigenes Licht, weil eine Stromleitung für elektrisches Licht drinnen sorgt. Es ist ein richtig "klassischer" Erdstall, weil es auch einen richtigen Schluf von unten nach oben gibt. Da sind sich auch die "Fachleute" gleich einig. Was mich dort fasziniert hat, das war die Akustik. Ich bin nicht der einzige und bekam das gleich auch bestätigt durch die Eigentümer. Die hatten mal Orgelbauer als Besucher und auch die haben das sofort festgestellt. Man muß sich nur in die innerste Kammer mal setzen und mal "mmmmmmmmmmmmmmmmmmhhhhhhhhh" machen. Sofern man die "richtige" Stelle findet, sofern wird auch ein herrliches Resonanzphänomen einsetzen. Da beginnt alles zu "schwingen". Die sandig/felsige Umgebung und man selber. Das könnt schon süchtig machen.

Wir haben das auch in einer anderen Kammer probiert zur viert. In dieser länglichen Kammer waren 3 Nischen an den Wänden. Mich erinnerten die an die Summsteine von Hugo Kükelhaus. Steckt man da den Kopf hinein und beginnt zu summen, dann tut sich da was. Man "resoniert". Und wenn das drei Leute gleichzeitig in diesen drei Nischen machten, dann war für die vierte Person, die sich genau auf dem Schnittpunkt der Klangorte aufhielt, ein außergewöhnliches Erlebnis möglich. Summt da keiner, ist da keiner, der zuhört, dann ist da "nichts". Diese Räume haben das Potential, ob es sich "auslebt", das hängt von den Menschen ab, die es zum Schwingen bringen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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