30 Jahre  

Kawasaki Z 900 “Z1”

 „Frankensteins Tochter“

Hässlich war das Bike bestimmt nicht, eher sogar eine Wucht. Der 900er Vierzylinder-Motor war eine echte Granate, aber das Fahrwerk – oh weih! Der Feuerstuhl wackelte so furchtbar, dass selbst den abgebrühtesten Heizern angst und bange werden konnte. So sehr, dass MOTORRAD Chef-Tester Franz Josef  „FJS“ Schermer den Wetzhobel später sogar einmal als „Frankensteins Tochter“ bezeichnete. Gemeint ist die legendäre Kawasaki Z900, oder kurz „Z1“, die 1972 auf der IFMA in Köln vorgestellt wurde. Ein neues Kapitel in der Motorradgeschichte hatte begonnen! 
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igentlich müssten bei Kawasaki die Sektkorken knallen. Eigentlich. Vor 30 Jahren, oder so um den Dreh, stellten die Japaner im Herbst 1972 auf der IFMA in Köln die  Kawasaki 900 Z1 Super 4 vor. Die Fachwelt war geplättet, die Motorradfans rieben sich die Augen, und den Mitbewerbern verschlug es die Sprache. Entgegen einer internen Absprache unter den japanischen Herstellern, keine Motorräder über 750 ccm auf den Markt zu bringen, langte Kawasaki mächtig zu. Mit dem 900 ccm Vierzylinder-Big-Bike schlug Kawasaki ein neues Kapitel in der Motorradgeschichte auf.

Japans viertgrößter Motorradhersteller galt bis 1972, abgesehen von den 650er W1 und W2 Modellen (einem BSA Nachbau von 1966), als Zweitaktspezialist. Besonders die Dreizylindermodelle Mach III und die 750er H 2 sorgten für Aufsehen. Mut und Draufgängertum mussten ihre Piloten damals besitzen, um die Fahrleistungen der quicklebendigen Zweitakt-Motorräder auszukosten.


Kawasaki H2 750ccm 

Die 900 Z1 übertraf jedoch alles bisher Dagewesene. Laut Werksangaben sollte das für damalige Verhältnisse technisch anspruchsvolle Vierzylinder-Aggregat mit zwei obenliegenden Nockenwellen und vier Vergasern 82 PS bei 8500 /min leisten. Bei der Höchstgeschwindigkeit sprach man sogar selbstsicher von weit über 200 Stundenkilometern. Diese Leistungsangaben hätten fast von einer Rennmaschine stammen können. Schnell erinnerte man sich an die legendäre MV Agusta, besonders beim Anblick der wunderschön verlegten Vier-in-Vier Auspuffanlage. Gemäß dem Stand der Technik besaß die 246 kg schwere Kawa am Vorderrad eine Scheibenbremse, hinten verrichtete konservativ eine Trommelbremse ihren Dienst.


Kawasaki 900 Z1 - 1973


Kawasaki 900 Z1 - 1973

Nach über fünfjähriger Entwicklungszeit war den Ingenieuren bei Kawasaki ein technisches Meisterstück gelungen. Doch die Meinungen der „Fachleute“ in der restlichen Welt gingen weit auseinander. Die einen lehnten generell diese „verspielte Technik“ ab. Sie fragten, wie man unterwegs die Ventile oder Vergaser einstellen solle, und überhaupt sei alles viel zu kompliziert. Die selbsternannten Experten wollten nicht glauben, dass so ein hochgezüchteter „Rennmotor“ länger als 10.000 Kilometer problemlos funktioniert. Dagegen konnten die Motorradfans das Frühjahr 1973 kaum abwarten. So oder ähnlich war die Stimmung bei der IFMA im Herbst 1972. Die Sensation war jedenfalls perfekt.
Als die „Z1“ 1973 endlich auf dem Markt war, verbreiteten sich schnell die tollsten Geschichten über dieses Big Bike. In Fachgesprächen, aber auch Testberichten, wurde sie als ein Motorrad mit „schierer Gewalt...“, oder „sie ist nur für die Gerade gut, doch in den Kurven...", beschrieben. Andere attestierten ihr, „man müsse sich erst an die gewaltige Leistung gewöhnen...“. Und MOTORRAD Chef-Tester „FJS“ bezeichnete sie später sogar einmal als „Frankensteins Tochter“.
Doch bei aller Häme, von Anfang an galt dem agilem Vierzylinder-Viertakt-Motor die größte Sympathie. Zwar blieben nach der deutschen DIN-Messung nur noch 79 PS bei 8500/min übrig, doch genug um bei der ersten Lichtschrankenmessung 211 Stundenkilometer zu erreichen. Eine zweite Messung auf dem Nürburgring mit flachem Lenker und „klein gemacht“ ergab sogar den sensationellen Wert von 227 km/h.


 Messung auf dem Nürburgring mit flachem Lenker und „klein gemacht“   

Und genau das war der Stoff, aus dem Anfang der 70er Jahre die Biker-Träume bestanden. Gemäß dem Motto „stärker, schneller und besser als die anderen“ hatte Kawa eindrucksvoll gezeigt, wo der Hammer hängt. In nur 4,2 Sekunden beschleunigte das Bike von Null auf 100 km/h, und für die 400 Meter Messstrecke genügten 12 Sekunden.
Aber auch gemütlich, ja sogar schaltfaul ließ sich die „Z1“ fahren. Bereits ab 2000/min, was etwa 50 km/h entsprach, beschleunigte der Motor die Fuhre ruckfrei, ohne sich zu verschlucken, gleichmäßig vorwärts. Dafür plagten recht üble Vibrationen den Piloten. Eingeschlafene Hände und Beine waren keine Seltenheit. Stieg die Tachonadel über 120 km/h, erübrigte sich der Blick in die Rückspiegel, es war nichts mehr zu erkennen. Die Erschütterungen zerstörten regelmäßig die Scheinwerferlampe. Selbst der korrekt eingestellter Zündzeitpunkt schaffte keine Abhilfe. Doch allen Unkenrufen zum Trotz, der Motor war nicht kaputt zu kriegen.
Gut gemeint war die Schmierung für die Antriebskette. Von einem eigenen Öltank versorgt, verspritzte die kleine Pumpe nicht nur den kostbaren Saft auf die Kette, sondern ölte gleichmäßig das Hinterrad und alles Drumherum ein.           


Kawasaki Z1 1973


Kawasaki Z1 1973

          Das Fahrwerk:
     Eine einzige Katastrophe

War das Triebwerk eine Wucht, konnte das Fahrverhalten dagegen selbst abgebrühten Motorradfahrern Angst und Schrecken einjagen. Ob bei schneller Kurvenfahrt oder im Topspeed-Bereich, das Fahrwerk entwickelte ein sehr ausgeprägtes Eigenleben, das kaum zu bändigen war. In punkto Fahrwerksabstimmung steckten die japanischen Motorradbauer damals eben noch in den Kinderschuhen. Die Dämpfung der Gabel und der Federbeine war viel zu lasch, und das Durchschlagen der hinteren Elemente gehörte zur Tagesordnung. Abhilfe schaffte nur ein Satz Koni-Federbeine.

Auch die vordere Scheibenbremse war dem Fahrzeuggewicht und der hohen Geschwindigkeit nicht gewachsen. Eine Gewaltbremsung aus 200 km/h entpuppte sich „zur längsten Meile im Leben“. Aus diesem Grund gab es ab 1974 eine zweite Scheibenbremsanlage zum Nachrüsten. Die Halterung hierfür war am rechten Gabelholm bereits vorgesehen.

Technisch nur wenig verändert, aber in anderen Farben, lief die 900er Kawa 1974 und 1975 vom japanischen Montageband. Ab 1974 war der Motor hell, auf die schwarze Lackierung des Triebwerkes wurde verzichtet. Im Folgejahr erhielt sie weltweit als erstes Motorrad eine O-Ring-Kette. Motor und Fahrwerk blieben in diesen beiden Jahren unverändert. Ab 1976 lautete die Bezeichnung Z 900. In diesem Jahr spendierte man ihr eine gründliche Modellpflege. Die Wandstärke der Rahmenrohre wurde von 1,8 mm auf 2,3 mm erhöht, was eine spürbare Verbesserung der Straßenlage bewirkte. Serienmäßig sorgten jetzt zwei Scheibenbremsen mit 296 Millimeter Durchmesser am Vorderrad für ordentliche Verzögerung.
Besonderes Augenmerk galt der neuen Motorabstimmung. Die Motorleistung stieg von 79 auf 81 PS bei 8000/min, und das maximale Drehmoment erhöhte sich von 72 Nm auf 74 Nm bei 7500/min. Jetzt verfügte der Motor im unteren und mittleren Drehzahlbereich über mehr Kraft, ließ aber die Drehfreudigkeit im oberen Bereich vermissen, dafür behielt sie aber den Ruf, das schnellste Serienmotorrad der Welt zu sein.
1977 machte Kawasaki das Maß voll. Den Hubraum vergrößerte man auf 1000 ccm. Das Big Bike hieß jetzt Z 1000 A1, und somit war das Ende der schon damals als legendär bezeichneten „Z1“ besiegelt. 


Kawasaki Z 1000 A1 - 1976


Kawasaki 900LTD - 1976

Auf den ersten Blick unterschied nur die neue Vier-in-Zwei Anlage und eine mächtige Scheibenbremse mit 285 mm Durchmesser am Hinterrad die Z 1000 A1 von der Z 900. Wer mehr wissen wollte, musste ins Detail gehen, die Leistung betrug jetzt 85 PS bei 8000/min, und das Drehmoment stieg auf 83 Nm bei 6.500/min. Klanglos verkraftete das Triebwerk thermisch und mechanisch den Leistungszuwachs.
Aber auch das Fahrwerk erfuhr Feinabstimmung: Die Führung der Schwinge übernahmen Nadellager. Dämpfung in Gabel und Federbein arbeiteten jetzt bedeutend wirkungsvoller, dafür war die Hinterradfederung eine Spur zu hart. Erstmals konnte von einem positiven Fahrverhalten gesprochen werden. Mit den modifizierten  Bremszangen  verbesserte sich das Ansprechverhalten der Vorderradbremse.
Im Fahrbetrieb überzeugte neben der verbesserten Straßenlage besonders die geänderte Motorcharakteristik. Selbst mit zwei Personen und Gepäck zeigte das Aggregat keinen Leistungsnachlass. Kraftvoll zog es in jeder Situation die Fuhre vorwärts. Egal ob solo oder voll beladen, die Tachonadel kletterte deutlich über die 200er Marke. Leider waren die lästigen Vibrationen immer noch vorhanden. Wer dies allerdings ignorierte und mit Vollgas über die Bahn wetzte, musste ordentlich Schnellzugzuschlag zahlen: Bis zu 12 Liter flossen bei hohem Tempo durch die vier Mikuni-Vergaser. Die „Z1“  Nachfolgemodelle Z1000 blieben bis Ende der 70er Jahre im Kawa-Angebot. 

Was alles in den Viertakt-Kawa steckte, bewies der kanadische Haudegen DuHamel, als er 1973 im Speedwayoval von Daytona Beach/USA gleich 45 Weltrekorde mit der Z1 aufstellte. Besonders beliebt war der robuste Viertaktmotor unter den Tunern. Der Schweizer Fritz Egli verpflanzte solch einen Motor in seinen „Egli-Rahmen“, und prompt gewannen 1974 die Franzosen Godier/Genoud die berühmte Bold`Or in Südfrankreich. Auch Pop Yoshimura, japanischer Tuning-Papst, widmete sich dem Triebwerk. Wer mehr Leistung aus dem Motor holen wollte, kam um seine Tuningteile nicht herum. Alle Rennerfolge füllten ein Buch.


Egli - Kawasaki Racing Team

Die Faszination der „Z1“ liegt heute darin, beschaulich mit genügend Dampf auf einem klassisch schönen Motorrad zu fahren. Die Begeisterung der Besitzer und Liebhaber spiegelt sich auch bei den jährlichen „Z“-Treffen wieder. Von restaurierten originalen Z-Modelle über Rennversionen mit Lachgas-Einspritzanlage bis zum Langgabel-Chopper ist der Phantasie keine Grenze gesetzt.

Technische Daten Z1A von 1973

Motor:
Luftgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei Ventile pro Zylinder über zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen und Tassenstößel gesteuert. Leistung 58 kW (79 PS) bei 8500/min, maximales Drehmoment 72 Nm bei 7000/min, Bohrung x Hub 66 x 66 mm, Hubraum 903 ccm, Verdichtung 8,5 : 1, vier Mikuni-Vergaser mit 28  mm Durchlass, Trockenluftfilter, Nasssumpf-Druckumlaufschmierung, Elektro- und Kickstarter

Elektrische Anlage:
Drehstrom-Lichtmaschine, Batterie 12 Volt / 14Ah, kontaktgesteuerte Batterie-Spulenzündung

Kraftübertragung:
Primärtrieb mit geradeverzahnten Rädern, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, klauengeschaltetes Fünfganggetriebe, Hinterradantrieb über Einfachkette

Fahrwerk:
Doppelrohrrahmen mit Stahlschwinge in Stahlbuchsen geführt, Kugellager im Lenkkopf, Telegabel ohne Verstellmöglichkeiten, Standrohr-Durchmesser 36 mm, Federweg vorne 140 mm, hinten Schwinge mit zwei Federbeinen und 80 mm Federweg. Radstand 1505 mm, Lenkkopfwinkel 64 Grad, Nachlauf 90 mm.

Räder:
Drahtspeichenräder, Bereifung vorn 3,25V19, hinten 4,00V18, vorn Scheibenbremse mit Zweikolben-Zange und 296 mm Durchmesser, hinten Trommelbremse mit 200 mm Durchmesser.

Abmessungen und Gewichte:
Länge über alles 2.250 mm, Breite 820 mm, Bodenfreiheit 150 mm, Lenkerbreite 820 mm, Lenkerhöhe 1290 mm, Sitzhöhe 820 mm, Sitzbanklänge 660 mm, Gewicht (fahrfertig) 246 kg, zulässiges Gesamtgewicht 385 kg.

Text & Fotos: Winni Scheibe

 
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